Wer war der Täter?
Im Jahr 1986 wurde erstmals in einem Mordfall an drei Schülerinnen in England ein genetischer Fingerabdruck als Beweismittel vor Gericht vorgelegt. Der genetische Fingerabdruck hat mit dem herkömmlichen "realen" Fingerabdruck eines gemeinsam: Er ist höchst individuell einem Menschen eigen. Wie man ihn praktisch erstellt, erfuhr unser Biologie - Leistungskurs bei einem Besuch in den technischen Schülerlaboren an der TH Wildau.
Dabei darf man sich von dem Begriff "genetischer Fingerabdruck" nicht in die Irre leiten lassen - genau genommen, geht es dabei gar nicht um Gene, denn höchstens zehn Prozent der DNA sind Gene. Die restlichen neunzig Prozent übernehmen nach bisherigem Erkenntnisstand überhaupt keine Funktion. Und gerade diese nicht codierenden Abschnitte einer DNA sind entscheidend für den genetischen Fingerabdruck: Sie sind durchsetzt mit einer Reihe an sogenannten "short tandem repeats", abgekürzt STR. "Short tandem repeats" bedeutet, dass kurze Basensequenzen tandemartig hintereinander wiederholt vorliegen. Durch die Bestimmung der Anzahl an Wiederholungseinheiten lassen sich Individuen unterscheiden und somit identifizieren.
Im Labor angekommen, wurden wir kurz in die Nutzungsweisen der bereitstehenden Laborgeräte, wie den Pipetten, eingeführt. Jede Zweiergruppe fand folgendes Szenario vor: Familie Müller kommt nach einem kurzen Wochenend-Trip wieder nach Hause. Die Tür ist aufgebrochen und die ganze Wohnung wurde auf den Kopf gestellt. Doch die Täter haben Spuren hinterlassen. Die herbeigerufene Polizei und Spurensicherung sicherten eine DNA -Probe. Durch die schnelle Ermittlungsarbeit konnte die Polizei nur ein paar Tage später bereits drei tatverdächtige Personen festnehmen. Um herauszufinden, wer von den dreien der Täter war, schlüpfte unser Bio – Kurs in die Rolle der Wissenschaftler im kriminaltechnischen Labor.
Wir hatten nun also insgesamt vier DNA Proben. Eine Probe stammte vom Tatort. Die übrigen waren von den drei Tatverdächtigen. Jetzt hieß es, die STRs zu untersuchen. Doch die DNA- Mengen sind in der Regel so gering, dass das Erbgut zunächst millionenfach vermehrt werden muss. Dies ist nur durch die Zugabe der Einzelteile für neue DNA - Stränge möglich: Zucker, Phosphat und die vier Basen. Außerdem bedarf es noch der Werkzeuge, um die Stränge zusammenzubauen. Diese Werkzeuge enthält der Reaktionsmix. In ihm befinden sich die beiden entscheidenden Stoffe für die Vermehrungsarbeit: die sogenannten Primer und das Enzym Polymerase. Der eigentliche Zusammenbau neuer DNA - Stränge erfolgt dann mit einer Polymerasekettenreaktion im PCR - Apparat.
Nachdem wir nun alle unsere Proben in den PCR - Apparat gegeben hatten, erwartete diese ein Wechselbad aus heiß und kalt. In den Proben wird die DNA auf ca. 95 C° erhitzt. Dadurch trennen sich die Doppelstränge der DNA. Nach Abkühlung auf 65 C° docken die Primer an und bei 72 C° wird die Polymerase aktiv. Sie ergänzt ausgehend vom Primer jeden Einzelstrang zum Doppelstrang.
Erhitzen, Trennen, Verdoppeln. Nach drei Zyklen liegen acht Kopien des gesuchten Abschnitts vor, nach 30 Zyklen rund eine Milliarde! Die PCR dauerte ca. zwei Stunden. In dieser Zeit konnten wir in der UNI - Kantine Mittag essen. Anschließend wurden mit uns noch einmal alle Grundlagen der Genetik wiederholt, eine optimale Vorbereitung für die Biologie Vorabitur – Klausur, die uns in der folgenden Woche erwarten sollte.
Durch die PCR hatten wir nun also genügend DNA für einen genetischen Fingerabdruck. Nun war nur noch ein letzter Schritt notwendig: die Gelelektrophorese. Durch diese wurden unsere DNA - Gemische der Größe nach aufgetrennt. Anschließend wurden die DNA- Fragmente im Gel über eine Anfärbung der DNA sichtbar gemacht. Für jede Probe entsteht ein charakteristisches Bandenmuster. Beim Vergleichen der jeweiligen Banden stellten wir fest, dass das Bandenmuster der Tatort - DNA mit dem Bandenmuster der DNA des zweiten Tatverdächtigen übereinstimmte.
Damit war der Täter überführt!
Julia Leonhardt, Jahrgang 12